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17.10.2020 | 19:09

Intelektuelle gegen das Denkmal zu Ehren des Stefan Nemanja

Intelektuelle gegen das Denkmal zu Ehren des Stefan Nemanja

Eine Gruppe angesehener Intelektueller im Bereich von Kunst und Kultur richtete anläßlich der Errichtung des Denkmals zu Ehren des Stefan Nemanja auf dem Sava-Platz in Belgrad einen offenen Brief an die Öffentlichkeit und gab an, dass es sich dabei um den Missbrauch von Geschichte, der Person von Stefan Nemanja selbst und um die Versinnlosung der Bedeutung handelt, die er als Begründer der Dynastie Nemanjić in der serbischen Kultur hat.

Nach der Podiumsdiskussion „Denkmal“, die im Rahmen des Mixer Festivals stattfand, wiesen die Teilnehmer in ihrem offenen Brief auf die Folgen der Errichtung des kontroversen Denkmals hin, der sich mehr als 3.000 Bürger widersetzt hatten, indem sie eine Online-Petition unterschrieben und die Einstellung der Arbeiten gefordert hatten.

Die Unterzeichner gaben an, dass „das riesige, monstruöse Denkmal zu Ehren des Stefan Nemanja“ für viele Bürger problematisch ist – wegen der Durchführung der Entscheidungsprozedur, aber auch aus finanziellen, kulturellen, symbolischen und ästhetischen Gründen und betonten, dass eine große Anzahl der Bürger der Meinung ist, dass dieses Denkmal durch „unangemessene Proportionen und mediokrere künstlerische Anschauungen in noch größerem Maße Belgrad erniedrigen und zerstören wird“.

Sie wiesen ebenfalls auf „untransparente Verträge, unbekannte und politisch instruierte Teilnehmer in Ausschüssen, unstimmige Meinungen der Jurymitglieder sowie auf widerrechtliche und verfassungswidrige Geheimhaltung von finanziellen Daten hin, die zu einem Staatsgeheimnis erklärt wurden – obschon es sich um ein öffentliches Denkmal und ein öffentliches Budget handelt“.

„Vor unseren Augen spielt sich ein schrecklicher Missbrauch der Geschichte, der Person des Stefan Nemanja und der Bedeutung ab, die der Begründer der Dynastie Nemanjić in der serbischen Kultur hat.

Seine Darstellung wird durch dieses Denkmal versinnlost und auf gefährliche Weise ihrer kulturellen Matrize, ihres traditionellen Musters beraubt, ganz zu schweigen von dem Raum für gegenwärtige Interpretation“, führten in dem offenen Brief Prof. Dr. Irina Subotić Kunsthistorikerin; Prof. Dr. Milena Dragičević – Šešić, Professorin der Fakultät für darstellende Künste und Leiterin der UNESCO - Abteilung für Kulturpolitik und -management der Universität der Künste in Belgrad; Goran Marković, Filmregisseur und Emeritus der Fakultät für darstellende Künste in Belgrad; Dr. Branislav Dimitrijević, Kunsthistoriker und Professor der Hochschule für bildende und angewandte Künste in Belgrad; Mia David, Architektin und Professorin der Fakultät für technische Wissenschaften in Novi Sad; Marko Lađušić, Bildhauer und Professor der Fakultät für angewandte Künste in Belgrad und Dejan Atanacković, visueller Künstler und Schriftsteller an.

Sie wiesen ebenfalls darauf hin, dass sich eine ganze Reihe anderer Experten argumentiert und öffentlich der Errichtung solch eines Denkmals, der Banalisierung von Geschichte und der Verhässlichung der Stadt widersetzt hatte. Als ganz besonders wichtig hoben sie das Bedürfnis hervor, in der Öffentlichkeit auch die Stimmen all derjenigen zu hören, die in den bedeutendsten Kultur- und Bildungsinstitutionen arbeiten sowie der Vetreter professioneller Verbände, Vereine und Organisationen, weil es „ihre Aufgabe und Pflicht ist, ihre Stadt vor weiterer Zerrüttung zu verteidigen, ihre Gegenwärtigkeit vor Vulgarität und schlechtem Geschmack und ihre Geschichte vor falschen Interpretationen und Missbräuchen zu schützen“.

Dejan Atanacković, einer der Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Denkmal“, betonte, dass es sich um ein Denkmal handle, dass „das kriminelle Regime zu Ehren seiner selbst errichtet, um ein Denkmal, dass Korruption in allen gesellschaftlichen Ebenen feiert“. Wahrhaftig monumental, fügte er hinzu, sei nur die Niederlage der bürgerlichen Gesellschaft.

Irina Subotić, stellvertretende Vorsitzende und Mitglied des Verwaltungsausschusses der paneuropäischen Organisation „Europa Nostra“ sowie Vorsitzende von „Europa Nostra Serbien“, ist der Meinung, dass die Idee von der Errichtung des Denkmals zu Ehren des Stefan Nemanja nicht dem entspricht, was im modernen 21. Jahrhundert ein Denkmal bedeutet.

„Man ging von einer falschen Idee aus und gelangte zu einer obszönen Konstruktion, derer wir uns in einem Moment schämen werden“, sagte sie und fügte hinzu, dass jetzt auch über die Zukunft solch eines Denkmals diskutiert werden muss, dass nicht abgerissen, sondern als schlechtes Beispiel in der Bildung der jungen Generation dienen soll.

Milena Dragičević Šašić betonte, dass die Denkmal-Politik nicht harmlos ist, weil sie die Atmosphäre und den Kontext erschafft, in derem Rahmen neue Generationen ausgebildet werden.

„Ein Denkmal ist der visuelle Ausdruck der Erinnerungskultur eines Volkes. Anstatt Denkmäler für erinnerungswürdige Dinge zu errichten, zum Beispiel für das Genozid in Srebrenica – so wie die Deutschen Denkmäler für den Holokaust errichten, auch wenn einige Jahrzehnte spater – errichten wir Denkmäler, die bedeutungslos sind“, sagte sie und wies auf ähnliche Beispiele in der Region hin – auf die Antiquisierung von Skopje, die Illyrisierung in Albanien...

Branislav Dimitrijević ist der Meinung, dass die Errichtung des Denkmals zu Ehren des Stefan Nemanja nur „einen Teil und ein Symptom der politischen Situation“ darstellt, wogegen man sich kollektiv aufbäumen muss, da einzelne Reaktionen ohne Echo bleiben.

Indem er ebenfalls auf eine ganze Reihe von ähnlichen Beispielen in der postsozialistischen Region hinwies, betonte Dimitrijević, dass es für Serbien spezifisch ist, dass der ganze Bau „nur einen Aspekt der riesigen Korruption“ darstellt, die sich fortsetzen wird, bis der jetzigen regierenden Garnitur Widerstand geleistet wird.

*Photo: Beoinfo

(SEEcult.org)

*Support: International Relief Fund of the German Federal Foreign Office, the Goethe-Institut, and other partners

 

 

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