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21.11.2020 | 23:41

Maja Gojković am Zug

Maja Gojković am Zug

Serbien hat nach den Wahlen und der Bildung der neuen Regierung Ende Oktober 2020 auch eine neue Ministerin für Kultur und Information bekommen - die bisherige Parlamentspräsidentin Maja Gojković. Zum ersten Mal nach einer Reihe von Jahren befindet sich an der Spitze des Ministeriums für Kultur und Information eine hohe Funktionärin der regierenden Partei und eine Politikerin mit langjähriger Erfahrung. Maja Gojković ist zudem auch stellvertretende Ministerpräsidentin Serbiens und es bleibt zu sehen, ob sich dies auch auf die Verbesserung der alles andere als beneidenswerten Position der Kultur und der Medien in der Gesellschaft widerspiegeln wird.

Die ersten Züge der Ministerin Maja Gojković wurden in der fachlichem, aber auch der breiten Öffentlichkeit zögernd begrüßt, da sie Zeichen für eine mögliche Diskontinuität der bisherigen Kulturpolitik und -praxis im Bereich von Kultur und Medien gegeben hat, auch wenn manche erwarteten Reaktionen ausgeblieben sind. Obgleich die neue-alte Premierministerin Ana Brnabić in ihrer Ansprache vor den Abgeordneten im Parlament betonte, dass die Politik ihres neuen Kabinetts eine Politik der Kontinuität darstelle - nicht nur mit der bisherigen Regierung, sondern auch mit der Regierung, an deren Spitze der aktuelle serbische Präsident Aleksandar Vučić steht, distanzierte sich Maja Gojković von manchen der Vorgehensweisen ihres Vorgängers Vladan Vukosavljević bald nach der Amtsübergabe, die ohne Pressemitteilungen, in Anwesenheit von Pressefotografen abgewickelt wurde. Zuallererst zog sie stillschweigend, wie man indirekt erfährt, die Strafanzeigen  zurück, die die vorangegangene Einberufung des Ministeriums für Kultur und Information gegen Kultur- und Medienarbeiter eingereicht hatte, mit denen Vukosavljević zeitweise eine öffentliche Polemik und einen regelrechten „Mitteilungskrieg“ geführt hatte. Gleichzeitig wurden auch umstrittene Mitteilungen  zurückgezogen, die in der Öffentlichkeit des Öfteren als Beispiel grober Disqualifizierungen und persönlicher Vergeltungen des Ministers mit Ungleichgesinnten bewertet wurden. Die letzten in dieser Reihe waren die Mitteilungen, die das Ministerium für Kultur und Information diesen Herbst anlässlich der gewaltsamen Zerstörung der Austellung der Comic-Gruppe „Jungs“ (Momci) in der Galerie Stara Kapetanija in Zemun veröffentlicht hatte, mit denen  die Verantwortlichkeit einer Gruppe von Hooligans mit den Autoren provokativer Arbeiten gleichgestellt wurde, die einen Kommentar auf die stürmischen Ereignisse der 90-er Kriegsjahre in Serbien und auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens darstellten.

Gegen Vukosavljević wurde eine Strafanzeige von seiten der Comic-Gruppe „Jungs“ wegen dieser Mitteilungen eingereicht, die eine heftige Verurteilung einer Reihe von Verbänden in der Kultur- (Assoziation Unabhängige Kulturszene Serbiens, Verband der bildenden Künstler Serbiens, Union der Verbände der bildenden Künstler der Vojvodina, Serbisches PEN-Zentrum, Serbische Literaturgesellschaft … ) und Medienszene hervorgerufen hatten. In Zusammenarbeit mit dem Juristenteam des Unabhängigen Verbandes der Journalisten Serbiens verklagte die Comic-Gruppe „Jungs“ den ehemaligen Minister und eine unbekannte Person aus seinem Kabinett wegen Freiheitsbedrohung und Verletzung der Redefreiheit, weil sie in der betreffenden Mitteilung „andere Personen zu widerrechtlichen Handlungen gegenüber den Geschädigten angeregt hatten“, denen sie zudem „ihre Meinungsfreiheit verwehrt und begrenzt haben“.

Unmittelbar nach Antritt ihres Amtes im Ministerium für Kultur und Information intervenierte Maja Gojković auch im Fall des kontroversen Versuchs des stellvertretenden Direktors des Museums für zeitgenössische Kunst in Belgrad Viktor Kiš, entgegen der gesetzlich vorgesehenen Prozedur und ohne Bewilligung ein Café im Erdgeschoss des Gebäudes an der Mündung (der Save in die Donau) zu bauen und zwar durch die Beseitigung einer der Schlüsselarbeiten der laufenden Ausstellung der Akquisitionen des Museums für zeitgenössische Kunst. Nachdem der Plan des stellvertretenden Direktors auf starken Widerstand des ganzen Kuratorenteams des Museums sowie der fachlichen Öffentlichkeit (Verband der bildenden Künstler Serbiens, Assoziation Unabhängige Kulturszene Serbiens, serbische Sektion der AICA …) gestoßen war, verlangte die Ministerin die offizielle Meinung der Anstalt für Denkmalschutz und -pflege der Stadt Belgrad, die konstatierte, dass das Café gegen gesetzliche Bedingungen und ohne die benötigte Bewilligung gebaut wird. Der stellvertretende Direktor des Museums gab deswegen seinen anfänglichen Plan auf und verpflichtete sich, alles wieder in den alten Zustand zu bringen.

Obwohl die ersten Schritte der neuen Ministerin auf positive Reaktionen eines Teiles der Öffentlichkeit stießen, wurde ihr gleichzeitig der Mangel an Reaktionen des Ministeriums für Kultur und Information auf verbale Gewalt und Drohungen mit physischer Gewalt vorgeworfen, denen in den letzten Wochen einzelne Künstler und Journalisten, ganz besonders Journalistinnen ausgesetzt sind – in Sendungen auf Privatsendern mit einer Pro-Regierungs-Redaktionspolitk, aber auch in den sozialen Netzwerken.

Kritiker beschuldigen Maja Gojković ebenfalls wegen ihres persönlichen Beitrags zum Verfall der Dialogkultur im Parlament Serbiens, dessen Vorsitzende sie als Funktionärin der regierenden Serbischen Fortschrittspartei mit Aleksandar Vučić an der Spitze in den letzten sechs Jahren war. Es wird ihr vorgeworfen, dass sie mit ihrer Führung von Parlamentssitzungen die Opposition erniedrigte, einen konstruktiven Dialog unmöglich machte und somit der Vertreibung der demokratisch orientierten Opposition aus dem Parlament beitrug.

Unter den Gründen für eine skeptische Reaktion der fachlichen Öffentlichkeit ist auch die Tatsache, dass Maja Gojković nicht viel Erfahrung im Bereich von Kultur und Medien hat, auch wenn sie während eines kürzeren Zeitraums an der Spitze des parlamentarischen Ausschusses für diese beiden Bereiche stand. Was es Kultur betrifft, nahm sie fast regelmässig an den Medienkonferenzen des Belgrader Tanzfestivals teil, die in der Zeit ihres Mandats exklusiv in der Halle des Parlaments stattfanden.

Nicht vergessen wurde ihre kontroverses Lob der Ausstellung „Unzensierte Lügen“, mit der die regierende Serbische Fortschrittspartei im Jahr 2016 mehr als 2.500 „negative Medieninhalte“ über sich selbst und ihren Leader, dem damaligen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić vorstellte. Maja Gojković betonte in jener Zeit, dass die Ausstellung in „einer modernen Weise“ aufgebaut sei und dass es sich um „konzeptuelle Kunst in der Art von Marina Abramović“ handle.

Große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rief sie auch im Jahr 2015 hervor, als sie während ihres Besuchs im Iran einen Hijab trug und die Kommentare, dass sie mit so einer Geste übertrieben hätte, als einen Medienlynch charakterisierte. Nach ihren Worten sollte der Hijab zeigen, in welchem Maße Serbien den Respekt schätzte, den der Iran in vielen Momenten gegenüber den serbischen staatlichen Interessen gezeigt hatte, unter anderem auch indem er nicht die Unabhängigkeit Kosovos anerkannt hatte. „Ich habe Serbien nirgendwo beschämt, auch jetzt nicht und es freut mich, das Ministerpräsident Aleksandar Vučić, obwohl er in China verweilte, die Zeit fand, um mir Unterstützung zu leisten“, betonte Maja Gojković.

Maja Gojković zog die Aufmerksamkeit auf sich, als sie Ende des Jahres 2016 mit dem damaligen Stadtmanager von Belgrad, dem jetzigen stellvertretenden Bürgermeister Goran Vesić ein Denkmal zu Ehren Andy Warhols ankündigte und angab, dass dieser auch ihren professionellen Weg beeinflusst hatte.

Dass das Bild in der Öffentlichkeit für die zukünftige Arbeit des Ministeriums für Kultur und Information wichtig sein wird, zeigt die Tatsache, dass in kurzer Zeit Profile in den einflussreichsten sozialen Netzwerken errichtet wurden, die jetzt jeden Tag aktualisiert werden. Maja Gojković erwartet dasselbe auch von den Kulturanstalten, die sie aufforderte, an einer größeren Sichtbarkeit der digitalen Inhalte zu arbeiten. Es stellt sich aber die Frage, ob das Budget für Digitalisierung, sowie die finanziellen Mittel für Kultur überhaupt, im nächsten Jahr erhöht werden im Betracht der Tatsache, dass sich diese Mittel unter den kleinsten nicht nur in Europa, sondern auch in der Region befinden und noch zusätzlich wegen der Folgen der Covid-19-Pandemie vermindert wurden. Unter den ersten Schritten in Richtung einer Mappierung und Ordnung des Zustands in der schon seit Jahren vernachlässigten Kultur ist auch die Aufforderung an Kulturanstalten, deren Gründer der Staat, die Provinz Vojvodina oder lokale Selbstverwaltungen sind, Informationen über die Revison der Fonds zuzustellen, um den wahren Zustand des kulturellen Erbes Serbiens festzustellen und womöglich auch unterschiedliche Malversationen auf dem Schwarzmarkt zu verhindern.

Maja Gojković wurde auch früher schon als mögliche Ministerin für Kultur und Information erwähnt, aber diese Funktion behielt auch während der Rekonstruierung der Regierung Serbiens vor zwei Jahren Vladan Vukosavljević. Er befand sich an der Position des Ministers für Kultur und Information seit August 2016, die er nach seiner Funktion als Stadtsekretär für Kultur der Stadt Belgrad übernommen hatte.

Maja Gojković wurde 1963 in Novi Sad geboren und schloss dort ihr Jurastudium ab. Eine Zeit lang arbeitete sie als Rechsanwältin und war als Kandidatin der Serbischen Radikalen Partei von Vojislav Šešelj die erste Frau, die die Position des Bürgermeisters der Stadt Novi Sad von 2004 bis 2008 einnahm. Sie war auch Gemeinderätin der Stadt Novi Sad (2008-2012), Abgeordnete in den Parlamenten Jugoslawiens und des Staatenbundes Serbien und Montenegro ab 1992, sowie im Parlament der Provinz Vojvodina.

Politische Gegner werfen ihr auch einen häufigen Parteiwechsel vor. Bei den ersten parlamentarischen Wahlen in Serbien war sie Mitglied der Radikalen Volkspartei von Veljko Guberina, die sich später den Radikalen anschloss. Maja Gojković begann, sich von der Spitze der Serbischen Radikalen Partei abzulösen, nachdem sie das Amt der Bürgermeisterin von Novi Sad angetreten hatte und im März 2008 teilte der Ausschuss der Serbischen Radikalen Partei der Stadt Novi Sad mit, dass sie nicht mehr Mitglied der Partei sei. Auch wenn erwartet wurde, dass sie nach der Spaltung in der Serbischen Radikalen Partei und der Trennung zwischen Tomislav Nikolić und Aleksandar Vučić einerseits und Vojislav Šešelj andererseits der neugegründetetn Serbischen Fortschrittspartei beitreten würde, gründete Maja Gojković eine neue Partei – die Volkspartei, die Ende 2008 mit der Demokratischen Partei Serbiens und Nova Srbija ein Abkommen über ein gemeinsames politisches Wirken abgeschlossen hatte. Ende des Jahres 2009 wurde sie zur Vorsitzenden der Volkspartei gewählt, die an den Wahlen im Mai 2012 auf der Liste der Union der Region Serbiens von Mlađan Dinkić teilnahm, einem der Anführer der Opposition, die es am 5. Oktober 2000 geschafft hatte, bei den Wahlen und unter Unterstützung von Hunderten von Tausenden Bürgern auf den Straßen, das Regime von Slobodan Milošević abzusetzen. Die Partei von Maja Gojković wurde aber bald aus der Mitgliedschaft in der Union der Region Serbiens ausgeschlossen, weil sie mit der Demokratischen Partei über die Bildung der neuen Regierung verhandelte, obwohl sie die neue regierende Koalition der Serbischen Fortschrittspartei, der Sozialisten und der Union der Region Serbiens unterstützte. Seit ihrer Mitgliedschaft in der Serbischen Fortschrittspartei zeigt Maja Gojković eine kontinuierliche Loyalität gegenüber der Parteipolitik und stellt einen der Funktionäre dar, die regelmäßig den Leader der regierenden Partei öffentlich in Verteidigung nehmen. Bis jetzt hatte sie auch ein gutes Verhältnis mit der neuen-alten Ministerpräsidentin - im Unterschied zum bisherigen Minister Vukosavljević, was dazu führte, dass das Ministerium für Kultur und Information einerseits und das Kabinett der Regierungsvorsitzenden andererseits bzw. ihr Rat für Kreativindustrien, eine parallelle Kulturpolitik führten.

Maja Gojković ist übrigens eine der 11 Frauen in der neuen 23-köpfigen Regierung Serbiens, in der ca. 50% neuer Minister ihr Amt angetreten haben.

Nach Angaben ihrer offiziellen Biographie spricht Maja Gojković Englisch und Deutsch.

*Photo: BFI/SEEcult

(SEEcult.org)

*Support: International Relief Fund of the German Federal Foreign Office, the Goethe-Institut, and other partners

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